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Die rechtliche Regulierung – und die Vorschläge zur Änderung

Die rechtliche Regulierung – und die Vorschläge zur Änderung

Foto: Adobe Stock / artjazz

In Europa gelten strenge Vorschriften für die Erforschung, Entwicklung und Zulassung von genetisch veränderten Pflanzen. Als die rechtlichen Regeln geschaffen wurden, spielten die Verfahren der Genomeditierung noch keine Rolle. Der Tatsache, dass diese präziser sind als die klassische Gentechnik und es ermöglichen, Sorten zu züchten, die auch durch natürliche Mutationen oder durch konventionelle Methoden entstehen könnten, wird das bisherige Regulierungssystem nicht gerecht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen daher dringenden Reformbedarf.

Der zentrale Begriff im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regulierung von Produkten, die mithilfe von Gentechnik entstanden sind, ist der des „genetisch veränderten Organismus“ (auf Englisch: „genetically modified organism“, kurz GVO). Er wird von der im März 2001 erlassenen Freisetzungsrichtlinie der Europäischen Union (EU) so definiert: Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen gelten dann als genetisch verändert, wenn ihr genetisches Material so modifiziert wurde, wie es natürlicherweise durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht möglich ist. Die Richtlinie musste auch in das deutsche Recht umgesetzt werden, hat dort aber eine Besonderheit bei der Wortwahl: In den deutschen Rechtstexten steht die Abkürzung GVO für „gentechnisch veränderter Organismus“.

Die EU-Freisetzungsrichtlinie enthält Vorschriften für die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt. Mit Blick auf die Grüne Gentechnik werden die Regelungen also relevant, wenn eine im Labor entwickelte Pflanze auf dem Feld versuchsweise angebaut werden soll, oder wenn ein Unternehmen die Marktzulassung einer neu entwickelten Sorte anstrebt.

Grundsätzlich soll der in der EU geltende Rechtsrahmen für GVO einen vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutz gewährleisten. Er sieht ein Stufenprinzip vor. Zunächst muss sich ein GVO in einem geschlossenen System, etwa im Labor oder Gewächshaus, als sicher für Umwelt und Gesundheit erweisen, bevor in der nächsten Stufe Freilandversuche in zunächst kleinem, dann größerem Maßstab erfolgen dürfen. Erst danach darf eine genetisch veränderte Pflanze beziehungsweise ihr Saatgut zugelassen und anschließend vermarktet und verwendet werden (das sogenannte Inverkehrbringen). Der Zulassungsprozess ist dementsprechend langwierig und kostenintensiv, denn es gilt, die umfangreichen rechtlichen Regelungen für Freisetzung und Inverkehrbringen einzuhalten. Wichtiger Grundsatz der Regulierung ist, dass ein GVO-Produkt nachweislich genauso sicher wie ein konventionelles Vergleichsprodukt sein muss.

Das europäische Gentechnikrecht ist im internationalen Vergleich besonders strikt. Das Regelwerk sieht nicht nur einen aufwendigen Zulassungsprozess vor, sondern ist zum Beispiel in Deutschland auch mit Haftungsrisiken für diejenigen Landwirtinnen und Landwirte verbunden, die die Produkte anbauen. Auch aus diesem Grund werden hierzulande, aber auch in anderen Teilen Europas, kaum noch genetisch veränderte Nutzpflanzen entwickelt oder angebaut. Das gilt zunächst für die Produkte der klassischen Gentechnik, die bislang vor allem sogenannte transgene Pflanzen hervorgebracht hat, also solche, denen das Gen einer nicht nah verwandten Art übertragen wurde. Bekanntes Beispiel ist transgener Mais (Bt-Mais), der durch Einfügen eines bakteriellen Gens eine Substanz bildet, die Insekten abtötet.

Prof. Dr. Hans-Georg Dederer über das Gentechnikrecht

Jurist

„Risiken ergeben sich nicht per se aus dem Verfahren, sondern immer erst aus dem erzeugten Organismus, seinen Merkmalen und seiner Anwendung.“

Foto: Uni Passau

Darüber hinaus bremst das europäische Gentechnikrecht die Anwendung der neueren Verfahren der Genomeditierung. Sie besitzen gegenüber der klassischen Gentechnik den Vorteil, dass sie die jeweilige Stelle im Erbgut, an der eine Veränderung stattfinden soll, genau ansteuern können. Vor allem kleinere Genmodifikationen, etwa zum Ausschalten eines einzelnen Gens, sind dadurch möglich geworden. Dabei werden häufig minimale Genveränderungen (Mutationen) herbeigeführt, die auch zufällig in der Natur oder durch traditionelle, nicht-gentechnische Züchtungsverfahren entstehen können.

Mit Genomeditierung können also Pflanzen genetisch verändert werden, ohne Gene anderer, nicht verwandter oder kreuzbarer Arten einschleusen zu müssen, wie es bei transgenen Pflanzen der Fall ist. Überdies nutzt die als Genschere bekannte Technologie natürliche Reparaturmechanismen der Zellen und hinterlässt somit in den meisten Fällen keine Spuren im Erbgut. Wird die Genschere genutzt, um einzelne Bausteine der DNA zu verändern (und nicht um ein neues Gen zu ergänzen), ist das Ergebnis in der Regel genetisch nicht von konventionell gezüchteten Pflanzen unterscheidbar.

Weil das europäische Gentechnikrecht so formuliert ist, dass es vorrangig auf das angewandte Verfahren und weniger auf das entstandene Produkt ankommt, gelten genomeditierte Pflanzen – jedenfalls nach derzeitiger Auslegung der GVO-Definition durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2018 – ausnahmslos als GVO und unterliegen damit demselben strengen Regelwerk der Risikobewertung und Zulassung.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs und seine Folgen

Zu dem Verfahren vor dem EuGH war es aufgrund einer Klage französischer Landwirtschafts- und Umweltverbände gekommen. Sie waren gegen eine in Frankreich geltende Regelung vorgegangen, nach der mit einem Genomeditierungsverfahren entwickelte herbizidresistente Pflanzensorten nicht unter die GVO-Richtlinie fallen, weil sie durch Mutagenese entstanden sind.

Mutagenese ist die künstliche Erzeugung von genetischen Veränderungen (Mutationen) im Erbgut von Lebewesen. Auf konventionelle Art kann sie durch Bestrahlung oder Behandlung mit chemischen Substanzen erfolgen. Seit der Entwicklung der Genomeditierungsverfahren ist sie auch mit CRISPR/Cas und ähnlichen Technologien zielgerichtet möglich, wie zum Beispiel der sogenannten Oligonukleotid-gerichteten Mutagenese, bekannt unter der englischen Abkürzung ODM. Als die GVO-Richtlinie der EU im Jahr 2001 erlassen wurde, kamen neben der klassischen Gentechnik lediglich konventionelle Mutagenese-Verfahren zum Einsatz, mit denen es jahrzehntelange Erfahrungen gab. Aus diesem Grund wurde in der Freisetzungsrichtlinie für das Verfahren der Mutagenese explizit eine Ausnahme gemacht. Mit Mutagenese veränderte Organismen fallen also aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie heraus.

Der EuGH musste nun die Frage klären, ob diese Ausnahme auch für Mutagenese per Genomeditierung gilt. Die Richterinnen und Richter gaben in ihrem Urteil letztlich den Klägerinnen und Klägern des französischen Ausgangsverfahrens Recht und entschieden, dass durch Mutagenese gewonnene Organismen grundsätzlich genetisch veränderte Organismen (GVO) sind, dass aber nur mit konventionellen Mutagenese-Verfahren (zum Beispiel mithilfe von Strahlung oder Chemikalien) veränderte GVO von den mit der GVO-Richtlinie verbundenen Verpflichtungen ausgenommen werden können, weil jene Verfahren seit langem als sicher gelten. Da aber bei der Genomeditierung weitaus weniger unerwünschte und unkontrollierte Mutationen entstehen als bei der unregulierten klassischen Mutagenese, machte das Urteil zugleich deutlich, dass das geltende Gentechnikrecht hinsichtlich der Risiken der neuen Verfahren und deren Produkte zu undifferenziert und unstimmig ist.

Die Kritik am EuGH-Urteil und am Gentechnikrecht

Die pauschale rechtliche Einstufung von genomeditierten Produkten als GVO, wie sie sich aus dem EuGH-Urteil ergibt, ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Zu diesem Schluss gelangen die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. In ihrer 2019 veröffentlichten Stellungnahme argumentieren sie, dass damit hinsichtlich der Genomeditierung zum einen nicht berücksichtigt wird, welche Art der genetischen Veränderung vorgenommen wurde. Zum anderen falle nicht ins Gewicht, ob diese Veränderung auch zufällig oder durch konventionelle Züchtungsmethoden entstehen könnte. Mit der aktuellen rechtlichen Regelung werden Organismen, die ein und dieselbe genetische Veränderung tragen, unterschiedlich reguliert – je nachdem, ob diese Veränderung auf natürlichem Wege, durch konventionelle Mutagenese oder durch Genomeditierung entstanden ist.

Der vorrangig verfahrensbezogene Regelungsansatz in der EU ist deswegen nicht plausibel, kritisieren die Wissenschaftsakademien und die DFG, da potenzielle Risiken nur von den veränderten Eigenschaften eines Organismus, also dem Produkt der Züchtung, und nicht vom Verfahren selbst ausgehen können. Der derzeitige Ansatz der europäischen GVO-Regulierung entspricht nicht dem Forschungsstand und führt in Hinblick auf die Verwendung aller neuen Züchtungstechniken zudem zu Rechtsunsicherheiten, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Die derzeitige Regelung wirft auch das praktische Problem auf, dass keine Analysemethoden existieren, mit denen sich in den meisten Fällen unterscheiden ließe, ob eine genetisch veränderte Pflanze durch zufällige Mutation, konventionelle Züchtung oder Genomeditierung entstanden ist. So lässt sich bei Agrarimporten nicht analytisch kontrollieren, ob es sich um in der EU zugelassene oder noch nicht zugelassene Pflanzen handelt. Bei den meisten Produkten der klassischen Gentechnik hingegen gibt es Nachweismöglichkeiten: Sie enthalten untypische Gensequenzen, etwa von Bakterien, die mit Analyseverfahren aufgespürt werden können.

Dass mit dem EuGH-Urteil nur die konventionellen Mutagenese-Verfahren vom Gentechnikrecht ausgenommen werden, ist aus wissenschaftlicher Sicht ebenfalls nicht schlüssig. Ihre Präzision ist gegenüber der der Genomeditierung sehr gering. Beim Einsatz von Strahlung oder Chemikalien kommt es zu weitaus mehr unerwünschten Effekten, sogenannten Off-Target-Mutationen, als bei der Genomeditierung.

Prof. Dr. Hans-Georg Dederer über Innovation und Gentechnikrecht

„Das europäische Gentechnikrecht hat sich als innovationshemmend erwiesen.“

Die Stellungnahme der Wissenschaftsakademien und der DFG verweist darauf, dass die derzeitigen Regelungen zur Grünen Gentechnik die Übertragung von Erkenntnissen der Grundlagenforschung in die landwirtschaftliche und gartenbauliche Praxis hemmen und damit auch die Wissenschaftsfreiheit einschränken. Zu diesen Forschungs- und Entwicklungsprozessen gehören etwa Freilandversuche, um neue Merkmale wie Stress- oder Schädlingsresistenzen in spezifischen Anbauregionen zu erforschen. Flurflächen, auf denen Freilandversuche stattfinden, müssen in einem öffentlichen Standortregister bekannt gemacht werden. Dies macht mutwillige Feldzerstörungen durch Gentechnikgegnerinnen und -gegner relativ einfach planbar, wie zahlreiche Zerstörungen von Versuchsfeldern in der Vergangenheit gezeigt haben. Folglich zögern viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Freilandexperimente mit genomeditierten Pflanzen durchzuführen. Im Jahr 2007 wurden in Deutschland 78 Anträge für Freisetzungen gestellt, 2012 waren es drei, seitdem gibt es keine Anträge mehr. EU-weit ist die Situation ähnlich: Die Zahl der bei der zuständigen Stelle in Brüssel/Belgien registrierten Freisetzungen ist von 109 im Jahr 2009 auf vier im Jahr 2020 gesunken. Die Freilandforschung mit genomeditierten Pflanzen wird zunehmend in Länder außerhalb der EU verlagert.

Prof. Dr. Ralph Bock zu den Konsequenzen der Regulierung

Molekularbiologe

„Gerade den kleinen und mittleren Züchtungsbetrieben werden nun diese revolutionären Möglichkeiten der neuen Technologien verwehrt bleiben.“

Foto: MPI-MP

Prof. Dr. Chris-Carolin Schön über Folgen für die Forschung

Agrarwissenschaftlerin und Pflanzengenetikerin

„Im Labor machen wir sehr gute Forschung und bringen neue hoffnungsvolle Entwicklungen voran, können aber mit diesen nicht ins Freiland gehen.“

Vorschläge für eine Novellierung des Gentechnikrechts

Wissenschaftsakademien und DFG kommen in ihrer Stellungnahme zu dem Schluss, dass es dringend notwendig ist, die Produkte der präziseren Methoden der Genomeditierung neu – also anders als die transgenen Produkte der klassischen Gentechnik – zu bewerten und das europäische Gentechnikrecht entsprechend zu überarbeiten. Sie empfehlen in einem ersten Schritt eine Novellierung im zeitlichen Rahmen von zwei bis fünf Jahren, längerfristig halten sie einen von Grund auf neuen Rechtsrahmen für erforderlich.

Für eine kurzfristige Gesetzesnovelle schlagen sie vor, die GVO-Definition so zu ändern, dass genomeditierte Organismen nicht mehr unter das Gentechnikrecht fallen, falls keine artfremde genetische Information eingefügt wurde oder ihr genetisches Material nur eine solche Veränderung enthält, wie sie ebenso in der Natur oder infolge der Anwendung konventioneller Züchtungsmethoden vorkommen könnte. Auf lange Sicht plädieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für einen Rechtsrahmen, der eine vorrangig produktbezogene Regulierung vorsieht. Ansatzpunkt der Regulierung sollte beispielsweise die Neuartigkeit von veränderten Merkmalen sein.

Prof. Dr. Ralph Bock zum Reformbedarf

„Es geht momentan vor allem darum, die einfachen Mutationen von der extremen Bürde der GVO-Regulation zu befreien.“

Der aktuelle Stand in der EU

Im November 2019 ersuchte der Rat der Europäischen Union die EU-Kommission vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils zur Einstufung bestimmter genomeditierter Pflanzen um eine Studie, die den Status neuer genomischer Verfahren beleuchtet. Diese Studie wurde im April 2021 veröffentlicht. Sie stützte sich auf Beiträge von Expertinnen und Experten, von zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und sogenannten Interessenträgern auf EU-Ebene. Die Studie kam zu dem Schluss, dass das derzeit geltende GVO-Recht für die Verfahren der Genomeditierung nicht mehr zweckmäßig sei. Sie hob zugleich deren Potenzial hervor, im Rahmen der Ziele des europäischen Green Deal und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem beizutragen.

Die Studie diente der Vorbereitung weiterer politischer Schritte, in denen die Optionen für die Regulierung genomeditierter Pflanzen geprüft werden. Vor diesem Hintergrund hatte die EU-Kommission im September 2021 die Novellierung des Rechtsrahmens für genetisch veränderte Pflanzen mit einer sogenannten einleitenden Folgenabschätzung angestoßen. Sie stand damit am Anfang eines mehrstufigen Konsultationsprozesses, in dem die Vor- und Nachteile möglicher politischer Optionen aufbereitet wurden, um die Kommission bei ihrer geplanten Gesetzgebungsinitiative zu unterstützen. Der gesamte Prozess war transparent angelegt und sollte es Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessenträgern ermöglichen, zu den Neuansätzen der Kommission Stellung zu beziehen und eigenen Sachverstand einzubringen.

Die EU-Kommission legte im Juli 2023 einen Verordnungsentwurf für einen neuen Regelungsansatz für genomeditierte Pflanzen vor. Damit sollen Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken vom Typ 1 (NGT-1) gezüchtet wurden, konventionell gezüchteten Pflanzen dahingehend gleichgestellt werden, dass sie vom Anwendungsbereich des Gentechnikrechts ausgenommen werden. Begründet wird dies dadurch, dass diese sogenannten NGT-1-Pflanzen vergleichbare genetische Veränderungen und ein vergleichbar niedriges Risikoprofil aufweisen wie die konventionell gezüchteten Sorten. Die EU-Kommission hat die dabei zugelassenen genetischen Veränderungen auf Grundlage einer wissenschaftlichen Analyse genau definiert. Pflanzen mit umfangreicheren genetischen Veränderungen, etwa eingefügten Fremdgenen, werden als sogenannte NGT-2-Pflanzen ähnlich reguliert wie GVO-Pflanzen bisher, jedoch sollen dabei schnellere Prüf- und Zulassungsprozesse im Rahmen von Einzelfallprüfungen möglich sein.

Die Leopoldina und die DFG haben 2023 die Ad-hoc-Stellungnahmen „Keeping Europe Up to Date – a Fit-for-Purpose Regulatory Environment for New Genomic Techniques“ und „Für eine wissenschaftsbasierte Regulierung von mittels neuer genomischer Techniken gezüchteten Pflanzen in der EU“ veröffentlicht. Darin bekräftigen sie ihre Unterstützung für den von der EU- Kommission vorgeschlagenen Verordnungsentwurf. Zugleich weisen sie in den Papieren daraufhin, dass das geplante Verbot von NGT-1-Pflanzen im ökologischen Landbau nicht sinnvoll ist. Dieser könne aufgrund des weitgehenden Verzichts auf chemischen Pflanzenschutz ganz besonders von NGT-1-Pflanzen profitieren.

Die Mitgliedsstaaten der EU müssen sich nun zum Verordnungsentwurf positionieren und je nach Mehrheitsvotum zahlreiche Details der Umsetzung der neuen Verordnung klären. Nach derzeitigem Stand könnte die neue Regulierung frühestens Anfang 2026 Anwendung finden.

Regelungen in anderen Ländern

Es gibt es bereits viele Länder, in denen genomeditierte Pflanzen anders reguliert werden als Produkte der klassischen Gentechnik. Argentinien hat einen solchen Weg besonders früh eingeschlagen, inzwischen auch andere süd- und mittelamerikanische Länder sowie die USA, Kanada und Japan.

Prof. Dr. Hans-Georg Dederer zu Beispielen außerhalb der EU

„Die argentinische Regulierungsbehörde versteht die GVO-Definition stärker produktbezogen, nicht primär verfahrensbezogen wie die Europäische Union. Das wäre ein vorbildlicher Ansatz auch für die Handhabung der GVO-Definition in der EU.“

Argentinien hat 2015 spezifische rechtliche Regelungen für genomeditierte Organismen eingeführt. Für ein neues Produkt wird seitdem jeweils genau geprüft, ob wirklich eine neuartige Kombination von genetischem Material vorliegt und ob übergangsweise oder dauerhaft artfremde Erbgutsequenzen eingeführt wurden. Lediglich Pflanzen, die tatsächlich eine neuartige Kombination von genetischem Material besitzen, fallen hier in den Anwendungsbereich der regulären GVO-Regulierung. Andere süd- und mittelamerikanische Länder, etwa Brasilien, Chile, Ecuador, Guatemala, Honduras, Kolumbien und Paraguay, haben dieses Konzept übernommen.

In den USA wurde 2018 vom dortigen Landwirtschaftsministerium (U.S. Department of Agriculture, USDA) ein besonderer Umgang mit genomeditierten Pflanzen beschlossen. Seitdem wird fallweise auf Antrag von Pflanzenzüchtern und -züchterinnen vom USDA geprüft, ob eine Pflanze, die mit der Genschere CRISPR/Cas oder vergleichbaren Technologien entwickelt wurde, unter die Gentechnik-Regulierung des Landwirtschaftsministeriums fällt oder nicht. Grundsätzlich werden danach genomeditierte Pflanzen nicht speziell reguliert, solange zum Beispiel keine DNA-Sequenzen von Pflanzenschädlingen in das Pflanzengenom eingefügt wurden. Veränderungen einzelner Erbgutbausteine werden daher in der Regel nicht reguliert, da man in ihnen kein Risikopotenzial sieht. Diese behördliche Praxis wurde im Mai 2020 rechtlich geregelt.

Prof. Dr. Hans-Georg Dederer zur Regulierung in Japan

„In Japan gibt es ähnlich wie in der EU eine sehr kritische Einstellung der dortigen Bevölkerung, gerade bei der Anwendung der Gentechnik im Lebensmittelbereich und im Agrarbereich.“

Auch Kanada geht in der rechtlichen Regelung genomeditierter Pflanzen produktbezogen vor. Dort bedürfen alle Pflanzen, die über ein neuartiges Merkmal verfügen, einer Zulassung für den Anbau – und zwar unabhängig von der Züchtungsmethode. Ein Merkmal gilt beispielsweise dann als neuartig, wenn es 25 bis 30 Prozent stärker oder schwächer ausgeprägt ist als bei einer konventionellen Vergleichssorte. In Japan werden genomeditierte Produkte seit 2019 gesondert reguliert: Hier unterliegen solche Pflanzen weniger strengen Regeln, wenn sie keine fremden, außerhalb der eigenen Zellen hergestellten Gensequenzen enthalten.

Der Umgang mit der Kennzeichnungspflicht

Das europäische Gentechnikrecht schreibt die Positivkennzeichnung vor: Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die GVO enthalten oder daraus hergestellt wurden, müssen entsprechend gekennzeichnet werden. Darüber hinaus existiert in Deutschland seit 2008 eine freiwillige Kennzeichnung für „gentechnikfreie“ Lebensmittel. Ein grünes Siegel mit dem Schriftzug „Ohne Gentechnik“ signalisiert, dass ein Produkt die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen für diese Kennzeichnung erfüllt. Milch gilt beispielsweise dann als frei von Gentechnik, wenn sie von Kühen kommt, die gentechnikfreie Futtermittel bekommen.

Prof. Dr. Hans-Georg Dederer zur Kennzeichnungspflicht

„Die Negativkennzeichnung funktioniert und erlaubt dem Verbraucher auch die Inanspruchnahme von Wahlfreiheit – aber eben nicht verbunden mit dieser Warnfunktion, die von der Positivkennzeichnung ausgeht.“

Auch hier wirkt sich das praktische Problem aus, dass häufig nicht nachweisbar ist, ob ein Produkt genomeditiert ist oder nicht. Die Wissenschaftsakademien und die DFG empfehlen daher, solche genomeditierten Produkte von der Kennzeichnungspflicht auszunehmen, die keine artfremde genetische Information enthalten oder deren genetisches Material nur so verändert ist, wie es auch in der Natur oder infolge der Anwendung konventioneller Züchtungsmethoden hätte geschehen können. Unternehmen, die nachweislich keine gentechnischen Verfahren verwenden, sollte es weiterhin möglich sein, ihre Produkte mit der freiwilligen Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ zu versehen.

Sind genomeditierte Pflanzen patentierbar?

Patente gewähren rechtlichen Schutz für technische Erfindungen. Wer ein Patent besitzt, hat für einen begrenzten Zeitraum – meist sind es 20 Jahre – das ausschließliche Recht die Erfindung zu nutzen und zu verwerten. Im Gegenzug muss die Erfindung beziehungsweise Innovation vollständig offengelegt werden. Wer patentgeschützte Erfindungen gewerblich nutzen will, braucht eine entsprechende Lizenz der Patentinhaber und Patentinhaberinnen. Grundsätzlich können geistige Eigentumsrechte auch für die Pflanzenzüchtung Innovationsanreize sein.

Prof. Dr. Hans-Georg Dederer zu Patenten auf genomeditierte Pflanzen

„Patente sind eine Chance und prinzipiell innovationsfördernd.“

Pflanzen, die gezielt so verändert wurden, dass sie ein neues Merkmal aufweisen und zum Beispiel Schädlingen oder Trockenheit besser widerstehen, sind laut Europäischem Patentamt prinzipiell patentierbar. Meist geht es dabei um genetisch veränderte Pflanzen. In der EU sind die Kriterien für die Neuartigkeit von Pflanzen vor allem in der Biopatent-Richtlinie geregelt, die für biotechnologische Erfindungen gilt. Damit eine Erfindung patentierbar ist, muss sie eine hinreichende Erfindungshöhe haben und gewerblich anwendbar sein.

Neue Pflanzensorten, die durch biologische Züchtungsverfahren wie Kreuzung und Selektion entstanden sind, gelten aus Sicht des Gesetzgebers als nicht hinreichend technisch, auf sie können keine Patente erteilt werden. Stattdessen gibt es in Europa und andernorts den Sortenschutz, durch den für die kommerzielle Nutzung des Vermehrungsmaterials neu entwickelter Sorten für einen Zeitraum von meist 25 Jahren, ausnahmsweise 30 Jahren, Lizenzgebühren erhoben werden können. Andere gewerbliche Züchterinnen und Züchter dürfen mit einer geschützten Sorte jedoch in der Regel weiterzüchten, ohne dafür eine Erlaubnis zu benötigen. Diese Regelung – Züchterprivileg genannt – soll gewährleisten, dass ohne Zeitverzug immer bessere, neuartige Sorten entstehen können.

Prof. Dr. Hans-Georg Dederer über Lizenzen auf Patente

„Wer von einer Erfindung Gebrauch machen will, muss entsprechende Lizenzen erwerben und Lizenzgebühren zahlen.“

Genomeditierte Pflanzen können ebenso wie Pflanzen, die mit anderen gentechnischen Verfahren gezüchtet wurden, patentierbare Erfindungen sein. Ein Beispiel für ein mögliches Patent im Bereich der Genomeditierung wäre ein spezifisches Verfahren zur Erzeugung einer Herbizidtoleranz einer Pflanze. In einem solchen Fall könnte das Verfahren patentiert werden. Es ist aber auch möglich, ein Produkt unter Patentschutz zu stellen, beispielsweise eine bestimmte Pflanze mit einer genetischen Sequenz, die Herbizidtoleranz bewirkt.

Bei Patenten auf genomeditierte Pflanzen gibt es rechtliche Fallstricke. So ist denkbar, dass ein Saatgutunternehmen behauptet, eine genetische Sequenz, die ein patentiertes Konkurrenzprodukt ebenfalls aufweist, sei in seiner Sorte auf natürliche Weise entstanden. In einem Verfahren wegen Patentverletzung lässt sich dann unter Umständen nicht nachweisen, wie die dem Patent entsprechende genetische Sequenz der neuen Sorte entstanden ist.

Wollen Züchterinnen und Züchter neue Sorten mit Methoden wie der Genschere entwickeln, ist zudem der Patentschutz für dabei eingesetzte Verfahren der genetischen Veränderung zu beachten. Teilweise kommt es hier zu Patentansprüchen, die miteinander konkurrieren. Für CRISPR/Cas9 hält beispielsweise seit 2014 ein Rechtsstreit zwischen der University of California und dem Broad Institute in Cambridge/USA an. Die University of California beansprucht das grundlegende Patent auf das CRISPR/Cas9-Verfahren, das Broad Institute für die Anwendung an Eukaryoten, also Lebewesen mit Zellkern, zu denen Menschen, Tiere, Pflanzen, Algen und Pilze zählen.

Für die Forschung ist Patentschutz zunächst kein prinzipielles Hindernis. Lizenzgebühren werden aber spätestens dann fällig, wenn zum Beispiel mit der patentierten Technologie gezüchtete Sorten vermarktet werden sollen. Bei den Genomeditierungsverfahren zeichnet sich ab, dass Universitäten als Patentinhaberinnen in bestimmten Fällen großzügig verfahren. Die Universität Wageningen/Niederlande, die ebenfalls Patente auf CRISPR/Cas9 besitzt, erlaubt zum Beispiel Organisationen, die nicht gewinnorientiert sind, die Technologie für nicht-kommerzielle Anwendungen im Lebensmittel- und Agrarbereich kostenlos zu nutzen.