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Entwicklungen in der zellulären Immuntherapie: Neue medizinische Ansätze und Perspektiven mit CAR-T-Zellen

Entwicklungen in der zellulären Immuntherapie: Neue medizinische Ansätze und Perspektiven mit CAR-T-Zellen

Bild: Keith Chambers / Science Photo Library

Die CAR-T-Zelltherapie markiert eine revolutionäre Entwicklung im Bereich der zellulären Tumorimmuntherapie. Seit ihrer Zulassung im Jahr 2017 konnten beachtliche Erfolge bei der Behandlung von zuvor unheilbaren hämatologischen Krebserkrankungen wie Lymphomen und Leukämien erzielt werden. Bei dem neuen Ansatz werden die T-Zellen vom Patienten genetisch verändert, um Tumorzellen zu erkennen und zu eliminieren. Obwohl CAR-T-Zellen derzeit hauptsächlich in der Anti-Tumor-Therapie eingesetzt werden, zielte ihre ursprüngliche Konzeption auf ein breiteres Ziel ab, nämlich die Erkennung von bestimmten Oberflächenantigenen. Dies eröffnet zahlreiche potenzielle Anwendungen.

Führende Expertinnen und Experten haben unter dem Dach der Leopoldina im April 2024 neuste Erkenntnisse ausgetauscht und Optionen für den Einsatz von CAR-basierten Therapien diskutiert.

CAR-T-Zelltherapie: Rasante Entwicklungen, neue medizinische Möglichkeiten

Beim Leopoldina Symposium, welches vom 8. bis 9. April 2024 in Halle (Saale) unter der Leitung von Andreas Mackensen und Georg Schett (beide Erlangen) und dem Vize-Präsident der Leopoldina Thomas Krieg (Köln) stattfand, wurde die rasante Entwicklung des Einsatzes von zell-basierten Therapien bei nicht-onkologischen Erkrankungen beleuchtet. Das Symposium war mit hochkarätigen Sprechern aus Europa und den USA besetzt.

Fabian Müller (Erlangen) präsentierte eine Übersicht über die Entwicklung der Therapie mit CAR T-Zellen in der Hämatologie/Onkologie. Dabei erläuterte er die wesentlichen klinischen Fortschritte, die durch CAR T-Zellen bei der Behandlung von wiederauftretenden Leukämien, Lymphomen und des multiplen Myeloms erreicht werden konnten. Darüber hinaus wurden die zukünftigen Möglichkeiten der CAR-T Zelltherapie bei soliden Tumoren aufgezeigt, wie z.B. dem Einsatz bei Keimzelltumoren. Außerdem ging er auf die Entwicklung neuer innovativer Konstrukte ein, die es den therapeutischen Zellen ermöglichen, nicht nur Zielzellen abzutöten, sondern auch ihr Mikromilieu zu verändern.

CAR T-Zelltherapie bei Autoimmunerkrankungen

Andreas Mackensen und Georg Schett (beide Erlangen) thematisierten die aktuellen Fortschritte in der Behandlung mit CAR T-Zellen bei Patienten mit systemischen Autoimmunerkrankungen wie z.B. Lupus erythematodes, Myositis und systemischer Sklerose. Dabei wurde auf die Möglichkeit einer langfristigen Medikamenten-freien Remission dieser Erkrankungen eingegangen, sowie die derzeitigen Daten zur Sicherheit und die immunologischen Mechanismen der CAR T-Zelltherapie bei diesen Erkrankungen diskutiert. Zum Video „CAR T cells in autoimmune diseases“ (Georg Schett | Andreas Mackensen) auf YouTube

Aimee S. Payne (New York) beleuchtete die vielversprechenden Möglichkeiten der CAR-T Zell Therapie bei der Behandlung von blasenbildenden Autoimmunerkrankungen der Haut wie dem Pemphigus vulgaris. Bei dem Behandlungsansatz werden Antigen-spezifische B Zellen eingesetzt, die Desmoglein (Dsg)-3 erkennen und das Ziel therapeutischer T Zellen darstellen. Zu deren Bekämpfung werden T-Zellen eingesetzt, die das Autoantigen tragen und dadurch spezifische B Zellen binden und abtöten können.

Marco Radic (Memphis) konnte erstmals die Wirksamkeit der CAR-T Zelltherapie bei einer Autoimmunerkrankung wie dem systemischen Lupus im Mausmodell aufzeigen. Er präsentierte die präklinischen Daten zur CD19 CAR T Zelltherapie bei Autoimmunerkrankungen und ging auf die Tiefe der B Zell Depletion durch CAR T-Zellen ein. Zum Video „CAR T cells and systemic lupus erythematosus SLE“ (Marko Radic) auf YouTube

Außerdem berichtete Dimitrios Mougiakakos (Magdeburg) über den Durchbruch in der Behandlung von neurologischen Autoimmunerkrankungen durch CD19 CAR T-Zellen. Dabei standen die ersten Daten zu Patienten mit Myasthenia gravis im Mittelpunkt, bei der CD19 CAR T-Zellen zu einem nachhaltigen Medikamenten-freien Rückgang der Symptome führten. Mougiakakos zeigte auch weitere mögliche Entwicklungen der CAR T-Zelltherapie bei neuroimmunologischen Erkrankungen auf, wie zum Beispiel mit Blick auf Multiple Sklerose. Zum Video „CAR T cells and Myasthenia gravis“ (Dimitrios Mougiakakos) auf YouTube

Potentiale der CAR T-Zelltherapie bei chronischen Erkrankungen

Eine vielversprechende Möglichkeit bietet der Einsatz von CAR T-Zelltherapien auch bei chronischen Erkrankungen, für die es bisher kaum Therapiemöglichkeiten gibt. Joel G. Rurik (Stockholm) berichtete über die Behandlung von Organfibrosen, wie z.B. der Fibrose des Herzmuskels nach Herzinfarkt, durch CAR T-Zellen. Dabei zeigte er im präklinischen Modell die Wirksamkeit einer in vivo CAR-T Zelltherapie durch Lipidnanopartikel (LNP). Diese werden injiziert und tragen die Information eines CARs gegen Fibroblasten-Aktivierungs-Protein (FAP). Durch Bindung an CD5-tragende Zellen (welche durch einen anti-CD5 Antikörper vermittelt wird) wird die Information für den CAR vor allem an T- und B-Zellen übertragen, die dann FAP-exprimierenden aktivierte Fibroblasten über den CAR abtöten. Zum Video „CAR T cells and cardiac fibrosis“ (Joel G. Rurik) auf YouTube

Scott W. Lowe (New York) betonte die Potentiale von „senolytischen“ CAR T Zellen, die gealterte („seneszente“) Zellen erkennen und aus dem Körper entfernen können. Dabei benutzt er den Urokinase Plasminogen Aktivator Rezeptor (uPAR), welcher auf gealterten Zellen exprimiert wird, als Zielantigen für die CARs. Durch die Elimination seneszenter Zellen und ihrer pathologischen Wirkung auf Organe, scheint es nach derzeitigem Forschungsstand möglich zu sein, die Alterung von Organen zu hemmen und ihren Funktionszustand länger zu erhalten. Zum Video „CAR T cells and cellular senescence“ (Scott W. Lowe) auf YouTube

CAR T-Zellen bei chronischen Infektionen

Steven Deeks (San Francisco) zeigte Möglichkeiten auf, HIV-1 befallene Zellen mittels Virusantigen-spezifischen CAR T Zellen zu eliminieren, um eine Heilung der HIV-Infektion zu ermöglichen. Dieser Ansatz, der bereits vor der Entwicklung der CAR T-Zelltherapie bei Tumoren entwickelt wurde, erlebt derzeit eine Renaissance. Bisher ist es trotz sehr guter Kontrolle von HIV durch die derzeitigen Medikamente nicht möglich ist, das HI-Virus aus dem Körper zu eliminieren. CAR T-Zellen, die gegen das HIV- Hüllprotein gp120 gerichtet sind, werden derzeit bereits in einer klinischen Studie erprobt. Zum Video „CAR T cells targeting HIV“ (Steven Deeks) auf YouTube

Ulrike Protzer (München) berichtete schließlich über CAR-T Zell Ansätze bei chronischen Hepatitis B Virusinfektionen. Sie konnte eine Zelltherapie gegen das Hüllprotein des Hepatitis B Virus entwickeln und erfolgreich in präklinischen Modellen testen. Dieser Ansatz ist vielversprechend, da auch hier Virusantigen-spezifische CAR T-Zellen jene Zellen aus dem Körper eliminieren könnten, die mit dem Hepatitis B Virus befallen sind. Auch hier wurden erste positive klinische Studiendaten präsentiert. Zum Video „CAR T cells and hepatitis B“ (Ulrike Protzer) auf YouTube

Über einen möglichen therapeutischen Einsatz von regulatorischen CAR T-Zellen bei Patienten nach Organtransplantationen referierte Elmar Jaeckel (Toronto). Der Ansatz bei Organtransplantationen ist der, dass durch Einsatz von MHC-spezifischen CAR T Zellen Abstoßungsreaktionen verhindert werden sollen und damit in Zukunft möglicherweise Xenotransplantationen oder Transplantate von weniger kompatiblen Spendern möglich werden. Auch über die Fortschritte beim Einsatz von Antigen-spezifischen regulatorischen CAR T-Zellen zur Verhinderung von Diabetes mellitus Typ I wurde von Elmar Jaeckel berichtet. Zum Video „CAR Treg cells in organ transplantation and autoimmunedisease“ (Elmar Jaeckel) auf YouTube

Ebenfalls wurden auch die logistischen Herausforderungen einer CAR T-Zelltherapie diskutiert. Michael Schmitt (Heidelberg) und Marion Subklewe (München) sprachen über die regulatorischen Aspekte der Point-of-Care Produktion von zellbasierten Therapien, die Herausforderungen bei der Durchführung von akademischen klinischen Studien („Investigator-Initiated Studies“) und die zunehmend wichtige Rolle von forschenden Ärzten („Clinician Scientists“), die es überhaupt erst möglich machen, derartige spezialisierte Therapien zu entwickeln und zu erproben.

Zum Video „Investigator initiated trials with CARTcells: Regulation & PointOfCare production“ (Michael Schmitt) und zum Video „Investigator initiated trials with CAR T cells: Future development“ (Marion Subklewe) auf YouTube

CAR T-Zelltherapie: Ein Novum in der Medizin

Das Leopoldina-Symposium zeigte die eindrucksvolle Breite des therapeutischen Einsatzes von CAR T-Zellen bei nicht-malignen Erkrankungen und Prozessen. Mehrere dieser Ansätze wie z.B. die CAR T-Zelltherapie bei Autoimmunerkrankungen oder chronischen Infektionen haben bereits die Schwelle zur klinischen Erprobung überschritten. Andere Ideen wie z.B. anti-fibrotische oder senolytische CAR-T Zellen sind noch in präklinischer Erprobung. Der Einsatz zellbasierter Therapien bei schweren Verlaufsformen chronischer nicht-maligner Erkrankungen stellt ein Novum in der Medizin dar und eröffnet neue Möglichkeiten und Konzepte der Therapie. Dabei steht weniger die chronische Kontrolle eines Erkrankungsprozess im Vordergrund, der bei Autoimmunerkrankungen durch meist lebenslange Immunsuppression und bei chronischen Virusinfektionen durch lebenslange anti-virale Kombinationstherapie gewährleistet wird. Auch die tatsächliche Heilung dieser Erkrankungen ohne die Notwendigkeit einer weiteren Medikation ist möglich.

CAR-T-Zelltherapie ermöglicht „Reset des Immunsystems“

CAR-T Zellen können schon heute durch eine tiefe, transiente Depletion von B Zellen autoimmune B Zellklone eliminieren und zu einer Art „Reset“ des Immunsystems führen. Dieser ermöglicht, dass sämtliche Immunsuppressiva abgesetzt werden können und eine anhaltende Medikamenten-freie Remission erzielt wird. Ob Patienten mit Autoimmunerkrankungen durch diesen innovativen Ansatz wirklich geheilt werden, bleibt jedoch derzeit offen. Möglicherwiese wird man in Anlehnung an die Onkologie erst dann von Heilung einer Autoimmunerkrankung sprechen, wenn eine Medikamenten-freie Remission über mehr als 5 Jahre besteht. Ähnlich könnte es bei chronischen Infektionen sein, wobei hier das Ziel sein wird, durch CAR T Zellen den Pool an Virus-infizierten Zellen auszulöschen, um dadurch die entsprechende Infektion zur Ausheilung zu bringen.

Erste klinische Daten, insbesondere bei der Therapie von Autoimmunerkrankungen, zeigen, dass eine CAR T-Zelltherapie auch bei nicht-malignen Krankheiten nicht nur machbar ist, sondern tatsächlich auch zu einer anhaltenden Medikamenten-freien Remission führen kann. Damit steht sie im Gegensatz zu allen anderen therapeutischen Interventionen bei Autoimmunerkrankungen, welche allesamt chronisch und in der Regel sogar lebenslang verabreicht werden müssen. Daraus ergeben sich prinzipielle Vorteile der CAR T-Zelltherapie, die ja nur einmal verabreicht wird, hinsichtlich Medikamententoxizität, Infektionsneigung aber auch bei der Familienplanung, da oft junge Frauen von Autoimmunerkrankungen betroffen sind und die meisten Immunsuppressiva nicht in der Schwangerschaft anwendbar sind.

CAR T-Zelltherapie: Weitere Forschung ist notwendig

Neben der Wirksamkeit wird die Sicherheit der CAR T-Zelltherapie einen großen Einfluss darauf haben, ob sich diese Therapieform in Zukunft bei nicht-malignen Erkrankungen durchsetzen wird. Dabei dürfte eine niedrige Prävalenz des Zytokin-Freisetzungs-Syndroms, von neurologischen Nebenwirkungen und einer Suppression des Knochenmarks, Toxizitäten, wie man sie bei einer CAR-T Zelltherapie von Malignomen kennt, von großer Bedeutung sein. Auch die langfristige Sicherheit von CAR T-Zellen muss in diesem Rahmen dokumentiert werden.

Die CAR T-Zelltherapie von nicht-malignen Krankheiten steht erst am Beginn ihrer Entwicklung und wird kontinuierlich verbessert und verfeinert. Dieser Prozess betrifft die Erfassung neuer Indikationen aus dem Bereich von Autoimmunerkrankungen aber auch andere Bereiche wie Infektionen, Transplanationsmedizin, Organfibrose oder Organalterung.

CAR T-Zelltherapie ermöglich neue, bisher utopische Behandlungswege

Weitere Entwicklungen zeichnen sich in der Verbesserung der Machbarkeit der CAR T-Zelltherapie auf breiterer Basis ab. Hier geht die Entwicklung zum Beispiel auch in die Richtung allogener CAR T-Zellen, die es ermöglicht, viele Patienten mit nur einem Spender CAR T-Zellpräparat zu behandeln. Auch eine in vivo CAR T-Therapie rückt immer mehr in den Fokus, wobei hier die Transfektion der Zellen mit der mRNA für den CAR nicht ex vivo, sondern direkt in vivo erfolgt. Zusammen mit anderen technologischen Fortschritten (bessere Konstrukte, bessere und schnellere Herstellungsmethoden) werden diese Entwicklungen die CAR T-Zelltherapie in der Zukunft vereinfachen, sodass es möglich wird, eine größere Population von Patienten zu behandeln. Dabei ist anzumerken, dass die autologe CAR T-Zelltherapie in der heutigen Form bereits jetzt bei einigen zehntausend Patienten mit hämatologischen Malignomen erfolgreich angewandt wurde und vielen dieser Patienten ein neues Leben ermöglichte. Eine ähnliche Entwicklung erscheint auch bei nicht-malignen Erkrankungen möglich.

Das Potential, CAR T-Zellen zur Behandlung einzusetzen, ist sehr groß. Dabei werden möglicherweise traditionelle Konzepte der Therapie chronischer Erkrankungen umgestoßen, wie beispielsweise die chronische Suppression des Immunsystems, und völlig neue, bisher eher utopische Wege, wie die Heilung dieser Erkrankungen mit einer einmaligen Therapie, beschritten.

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