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Wissenschaftshistorische Seminare

Rousseau und die Wissenschaften. Eine Fallerörterung zu Grenzfragen zwischen Philosophie und Wissenschaftsgeschichte

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Prof. Dr. Rainer Enskat, Halle

Datum: Dienstag, 5. Juli 2011
Uhrzeit: 16:30 bis 18:00
Ort: Leopoldina, Halle (Saale)


Unser traditionelles Bild von Rousseaus Einstellung zu den Wissenschaften ist seit rund zweihundertfünfzig Jahren über das Niveau eines grotesken Zerrbildes kaum hinausgekommen. Daran haben weder Wissenschaftshistoriker noch Rousseau-Forscher etwas ändern können – auch nicht das Urteil des bedeutenden französischen Mathematikers d’Alembert, der im Jahr des Endes von Rousseaus Publikationstätigkeit 1762 in einem Brief an Rousseau schrieb, er habe im Laufe der vergangenen zwölf Jahre schließlich seine Überlegenheit (superiorité) über alle Gelehrten (sur tous les gens de lettres) bewiesen. In dem Zerrbild von Rousseaus Einstellung zu den Wissenschaften erscheint er als eine Art neuzeitlicher Kassandra der Wissenschaften und Technik, die der Menschheit angeblich nichts besseres mehr raten kann, als aus Kultur und Gesellschaft zu flüchten und in eine vermeintlich urtümliche Natur zurückzukehren. Erst ungefähr seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben einige wenige italienische, amerikanische und französische Wissenschaftshistoriker und Rousseau-Spezialisten angefangen einzusehen, dass und wie man dies Zerrbild korrigieren kann. An dieser Korrektur wird sich der Vortrag beteiligen. Es soll gezeigt werden, dass und inwiefern Rousseau der erste und bis heute am tiefsten blickende Theoretiker der komplizierten Beziehungen zwischen Wissenschaft und Praxis ist.