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Vorträge & Diskussionen

Die Stadt in der Zelle: Architektur und Funktion des Zellkerns

Thomas Cremer ML, Martinsried

Datum: Dienstag, 25. Mai 2010
Ort: Halle (Saale)

Monatssitzung der Leopoldina
Vortragsgebäude der Akademie
Emil-Abderhalden-Str. 36, 06108 Halle (Saale)

Die Aufklärung der Schriftnatur der DNA und die Art und Weise, wie ein Gen die Information zur Bildung eines bestimmten Proteins ermöglicht, gehören zu den umwälzenden Erkenntnisfortschritten der Biologie in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da alle Zellkerne unserer Körperzellen das gleiche Genom enthalten, ergibt sich die Frage, wie dieses Genom so gesteuert wird, dass jede Zelle ihre spezifischen Aufgaben im „Zellenstaat“ eines vielzelligen Organismus erfüllen kann. Wie kommt es dazu, dass bestimmte Gene über viele Zellgenerationen dauerhaft angeschaltet oder abgeschaltet bleiben? Bei dem neuen Forschungsfeld der Epigenomforschung geht es um die Beantwortung dieser Frage. Ihre medizinische Bedeutung ergibt sich daraus, dass Störungen zu schweren Krankheiten führen können. Wir wissen heute, dass dabei sowohl unterschiedliche Verpackungszustände der Gene in dem aus DNA und zahlreichen Proteinen aufgebauten Chromatin des Zellkerns, als auch Unterschiede der dreidimensionalen Chromatinanordnung in den Zellkernen verschiedener Zelltypen eine wesentliche Rolle spielen. In meinem Vortrag versuche ich den heutigen Kenntnisstand einem breiteren Zuhörerkreis verständlich zu machen, indem ich den Zellkern mit einer Stadt vergleiche. Stadtmauer und Stadttore repräsentieren Kernhülle und Kernporen. Stadtteile entsprechen den Bezirken, die die einzelnen Chromosomen einnehmen, Häuserkomplexe den Chromatindomänen, einzelne Häuser den Genen. Das Straßensystem wird durch Netzwerk von Kanälen repräsentiert, das wir als Interchromatinkompartiment bezeichnen. Darin befinden sich Komplexe aus Makromolekülen (RNA und Proteine), die für die Funktionen des Zellkerns wesentlich sind. Diese Stadt in der Zelle ist komplexer als jede von Menschen gebaute Stadt. Sie ist dreidimensional und die Anordnung des Chromatins verändert sich während der Zelldifferenzierung.