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Vorträge & Diskussionen

Herpesviren - vom Genom zur Erkrankung.

Prof. Dr. Thomas C. Mettenleiter, Insel Riems

Datum: Dienstag, 22. April 2003
Ort: Halle

Erfahrung mit Herpesviren hat (fast) jeder: Vom simplen Lippenherpes über Windpocken und Pfeiffersches Drüsenfieber reichen die von den humanen Herpesviren hervorgerufenen Erkrankungen. Und jeder trägt zumindest das genetische Material eines Herpesvirus lebenslang im Körper, ohne dass ihn Krankheitssymptome plagen. Dieser Zustand der Latenz, der allerdings jederzeit aufgehoben werden kann, so dass neue Virusnachkommen entstehen, ist eines der wichtigsten biologischen Merkmale der Herpesviren. Insofern geht die Forschung über Herpesviren uns alle an. Aber nicht nur Menschen, auch Tiere werden von Herpesviren befallen. Die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere befasst sich deshalb besonders mit Herpesviren des Rindes, des Schweins und des Geflügels, die z.T. mit dramatischen Verlusten einhergehende Krankheiten verursachen können. Herpesviren gehören mit zu den komplexesten viralen Krankheitserregern. Ihr doppelsträngiges DNS-Genom kodiert für 70-220 Genprodukte, deren Funktion für die Virusvermehrung und die Krankheitsentstehung im Detail in vielen Fällen noch weitgehend unbekannt ist. Am Beispiel des Erregers der Aujeszkyschen Krankheit des Schweins untersucht die Forschungsgruppe von Th. Mettenleiter die Bedeutung einzelner viraler Genprodukte für die Initiation der Infektion der Zielzelle sowie die Virusreifung und -freisetzung aus der infizierten Zelle auf der molekularen Ebene. Die Rolle viraler Oberflächenproteine bei der Infektion von Nervenzellen steht dabei im Vordergrund. Diese grundlegenden Arbeiten sollen neue Wege zur Bekämpfung und/oder Behandlung von Herpesvirusinfektionen aufzeigen. Ein Ergebnis aus diesen Studien ist die Entwicklung neuartiger Impfstoffe und Impfkonzepte, die zu einer vollständigen Eradikation dieser bedeutenden Tierseuche in Deutschland geführt haben.

Thomas C. Mettenleiter hat Biologie an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen studiert und im Hauptfach Genetik promoviert (1985). Nach einem Forschungsaufenthalt am Department of Microbiology der Medical School der Vanderbilt University in Nashville, USA, forschte er bis 1993 am Institut für Impfstoffe der Bundesanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen (unterbrochen durch einen Aufenthalt am Department of Microbiology-Immunology der Medical School der Northwestern University in Chicago, USA) und habilitierte sich 1990. 1994 übernahm er die Leitung des Instituts für molekulare und zelluläre Virologie der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere, Insel Riems, seit 1996 ist er Präsident dieser Bundesforschungsanstalt. 1997 erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor an der Ernst-Moritz- Arndt Universität Greifswald. Sein Hauptarbeitsgebiet ist die molekulare Virologie. Schwerpunkte sind die Untersuchung molekularer Grundlagen der Herpesvirusinfektion, die Bekämpfung herpesvirusbedingter Tierseuchen und die Entwicklung gentechnisch hergestellter Impfstoffe gegen virusbedingte Krankheiten landwirtschaftlicher Nutztiere. Mettenleiter ist Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Beiräten. Die ungarische Akademie der Wissenschaften, Budapest, würdigte seine Arbeiten durch die Verleihung der Aladár Aujeszky-Gedächtnismedaille (1993). Im Jahr 2000 wählte die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina Thomas C. Mettenleiter zum Mitglied (Sektion Veterinärmedizin).