Um die historische Bedeutung und Wirkung der sogenannten „Mosaischen Physik“ zur Zeit der Frühaufklärung zu evaluieren, wird die pietistische Gelehrtenfamilie Lange im geschichtlichen Kontext untersucht.
Der Begriff „Mosaische Physik“ bezieht sich auf frühneuzeitliche Theorien der Natur, deren Inhalt aus der biblischen Schöpfungsgeschichte hergeleitet wird. Namensgebend ist hierbei Mose, der aus frühneuzeitlicher Sicht wohl der Autor der biblischen Genesis ist. Diese in der Spätantike verwurzelte naturphilosophische Anschauung kam im 16. und 17. Jahrhundert in vielen Texten zum konsequenten Ausdruck - einschließlich 1633 im Lehrbuch „Physicae ad lumen divinae reformatae synopsis“ von Jan Amos Comenius (1592-1670). Comenius’ überwiegend aristotelische und paracelsianische aber doch angeblich biblisch fundierte Physik fand bis ins 18. Jahrhundert ein breites Publikum und wurde in mehreren Ausgaben und in verschiedenen Sprachen veröffentlicht.
Inwiefern und aus welchen Gründen hat die Mosaische Physik nun ihre Anziehungskraft in jenem Jahrhundert verloren? Beim ersten Blick scheint die Mosaische Physik eine historische Sackgasse gewesen zu sein. Denn laut der heute etablierten Wissenschaftsgeschichte habe die Naturphilosophie der Aufklärung den Aristotelismus überwunden. Ihr mechanistisches Weltbild und epistemologischer Empirismus haben auch übernatürliche Eingriffen und biblische Autorität, das Merkmal Mosaischer Physik, abgelehnt. Aber angesichts aktueller Tendenzen zunehmender Literatur zu natürlicher Theologie, Physikotheologie und zu anderen Schnittstellen von religiösen und naturwissenschaftlichen Theorien und Praktiken im 18. Jahrhundert scheint ein Weiterleben der Mosaischen Physik dennoch möglich.
Die Untersuchung dieses möglichen Weiterlebens lässt sich gut am Beispiel einer in Halle ansässigen pietistischen Gelehrtenfamilie illustrieren: So hat Joachim Lange (1670-1744), Professor für Theologie an der Universität zu Halle, 1702 als bekannter Vertreter der mosaischen Physik Comenius’ Lehrbuch herausgegeben. Sein Sohn Johann Joachim Lange (1698-1765), Professor für Philosophie auch in Halle und ab 1735 Mitglied der Leopoldina, ist hingegen führender deutscher Befürworter des taxonomischen Systems von Carolus Linnaeus (1741-1783) und gleichzeitig in vieler Hinsicht Bewahrer der Weltanschauung seines Vaters.
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