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Press Release | Monday, 3 June 2024

Eine Gesamtstrategie für die biomedizinische Forschung entwickeln: Leopoldina veröffentlicht Ad-hoc-Stellungnahme zum Medizinforschungsgesetz

Genehmigungsverfahren für klinische Studien und Zulassungsverfahren von Arzneimitteln oder Medizinprodukten unterliegen in Deutschland hohen bürokratischen Hürden. Das geplante Medizinforschungsgesetz (MFG) der Bundesregierung hat zum Ziel, diese Hürden abzubauen, um Deutschland als attraktiven Standort für medizinische Forschung und Arzneimittelentwicklung zu erhalten. Der aktuelle Entwurf kann als ein erster Schritt betrachtet werden, die Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation zu verbessern. Aus Sicht der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina braucht es allerdings eine Gesamtstrategie mit weiteren umfassenden Maßnahmen. Ansatzpunkte hierfür stellt sie in der heute veröffentlichten Ad-hoc-Stellungnahme „Vom Medizinforschungsgesetz zur Gesamtstrategie: Biomedizinische Forschung in Deutschland langfristig stärken“ vor.

Deutschland braucht eine Gesamtstrategie zur Verbesserung der biomedizinischen Forschung, die alle politischen Ebenen und relevanten Ressorts umfasst, so die an der Ad-hoc-Stellungnahme beteiligten Expertinnen und Experten. Dazu gehören Regeln für therapeutische Studien, diagnostische Studien sowie für Studien mit Einsatz von künstlicher Intelligenz oder Robotik in Diagnostik oder Therapie. Auch die tragfähige Finanzierung der Grundlagenforschung sollte langfristig gewährleistet sein. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen, dass die Translation von Ergebnissen der Grundlagenforschung in die klinische Erprobung und darüber hinaus – also bis zur Integration neuer Diagnose- und Behandlungsmethoden in die Regelversorgung – beschleunigt werden sollte. Auch der Rückfluss von Erkenntnissen aus der klinischen Erprobung und der Regelversorgung in die Grundlagenforschung müsse verbessert werden.

Die Ad-hoc-Stellungnahme empfiehlt außerdem Maßnahmen zur Anpassung der Tierschutzregelungen im Forschungsbereich. Die derzeitigen Regelungen des deutschen Tierschutzgesetzes sowie die unterschiedliche Auslegung der EU-Verordnungen führen besonders in Deutschland zu Verunsicherung und übermäßiger Bürokratie in der Forschung. Die Fachleute empfehlen, den Schutz von zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Tieren in einem eigenen Tierversuchsgesetz zu verankern und in den Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zu übergeben. Ein Vorbild dafür ist die Regelung in Österreich. So könnten die Gesetze zum Tierschutz in der Landwirtschaft unabhängig vom Tierschutz in der Forschung umgesetzt werden.

Die geplante Schaffung einer Spezialisierten Ethik-Kommission auf Bundesebene für besondere Verfahren bei klinischen Arzneimittelprüfungen wird von den Expertinnen und Experten ausgewogen in ihren Vor- und Nachteilen dargestellt. Den politischen Entscheiderinnen und Entscheidern wird auf dieser Grundlage empfohlen, die Einrichtung einer Ethik-Kommission auf Bundesebene erneut zu prüfen.

Die Stellungnahme spricht sich zudem dafür aus, dass alle klinischen Studien vor dem Start registriert und deren Ergebnisse veröffentlicht werden, allerdings ohne bürokratischen Mehraufwand für die Forscherinnen und Forscher zu schaffen. Auch beim Datenschutz sehen die Fachleute Handlungsbedarf: Da viele Patientinnen und Patienten ihre Daten für medizinische Forschungszwecke zur Verfügung stellen wollen, sollte die Möglichkeit einer Sekundärnutzung von Patientendaten zu Forschungszwecken, unter Einhaltung angemessener Schutzstandards, weiter ausgebaut werden.

Die Ad-hoc-Stellungnahme wurde von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe von Expertinnen und Experten erarbeitet.

Die Leopoldina auf X: www.twitter.com/leopoldina

Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G20-Gipfel. Sie hat rund 1.700 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.

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