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Wahljahr: | 2020 |
Sektion: | Wissenschaftsphilosophie |
Stadt: | Philadelphia, PA |
Land: | USA |
Forschungsschwerpunkte: Soziale Normen, soziale Erkenntnistheorie, soziales Lernen, verhaltensorientierte Entscheidungstheorie, erkenntnistheoretische Spieltheorie
Cristina Bicchieri ist eine italienisch-amerikanische Philosophin. Ihr Forschungsschwerpunkt – sowohl in der Theorie als auch der Praxis – ist die Entstehung und Dynamik sozialer Normen. Für Bicchieri ist es entscheidend, nicht nur zu verstehen, wie Normen entstehen oder verändert werden können, sondern auch, welche Mechanismen des sozialen Lernens solchen Prozessen zugrunde liegen. Hierbei beleuchtet sie sowohl Aspekte der öffentlichen Gesundheit, wie beispielsweise durch Pandemien ausgelöste Verhaltensänderungen, als auch solche, die angesichts umweltpolitischer Herausforderungen wie der globalen Erwärmung erforderlich sind.
Sie befasst sich hauptsächlich mit dem Urteilsvermögen und der Entscheidungsfindung, insbesondere Entscheidungen im Zusammenhang mit Gerechtigkeit, Vertrauen und Kooperation und inwiefern Erwartungen unser Verhalten beeinflussen. Im Rahmen ihres zweiten Forschungsschwerpunktes untersucht sie die Entwicklung sozialer Normen, insbesondere im Hinblick auf Gerechtigkeit und Kooperation. In der Vergangenheit beschäftigte sich Bicchieri darüber hinaus mit den erkenntnistheoretischen Grundlagen der Spieltheorie und den Auswirkungen von Informationsänderungen auf rationale Entscheidungen und Lösungen.
Im Rahmen ihrer jüngsten Arbeit entwarf Bicchieri Konzepte für Verhaltensexperimente, mit denen verschiedene Hypothesen auf Basis der Theorie sozialer Normen überprüft werden. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass der Großteil der Probanden eine bedingte Präferenz für die Einhaltung prosozialer Normen aufweist. Eine Manipulation ihrer Erwartungen führt zu erheblichen Verhaltensänderungen (beispielsweise von fairen zu unfairen Entscheidungen, von Kooperation zu Verweigerung usw.). Daraus kann unter anderem geschlossen werden, dass es so etwas wie stabile Dispositionen oder unbedingte Präferenzen (fair zu sein, sich gegenseitig zu unterstützen, zu kooperieren usw.) nicht gibt. Eine weitere Schlussfolgerung ist, dass politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zur Förderung von prosozialem Verhalten die Erwartungshaltung der Menschen in Bezug auf das Verhalten anderer Menschen in ähnlichen Situationen ändern müssten. Die Ergebnisse tragen wesentlich zum Verständnis von moralischem Verhalten und zur Entwicklung verbesserter normativer Theorien bei, die auf den tatsächlichen Fähigkeiten jedes Einzelnen basieren.
Bei der Erforschung der Merkmale und der Dynamik sozialer Normen wird untersucht, wie Normen entstehen und sich festigen, warum eine etablierte Norm plötzlich verworfen wird, wie ineffiziente oder unpopuläre Normen überleben, und was Menschen dazu bewegt, Normen zu befolgen. Zur Beantwortung dieser Fragen kombinierte Bicchieri Ansätze aus der Evolutions- und Spieltheorie mit Modellen der Entscheidungsfindung aus der Kognitions- und Sozialpsychologie. So greift Bicchieri beispielsweise auf die Theorie der kontextabhängigen Präferenzen zurück, um realistischere evolutionäre Modelle für die Entstehung prosozialer Normen der Fairness und Reziprozität zu entwickeln.
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